Offener Brief der Gewerkschafts- und Klimagruppen zur Wiedereinstellung von Eli

Sehr geehrte Universitätsleitung,

wir sind Gewerkschaftsgruppen an der Universität Jena und Organisationen aus der Umwelt- und Klima-Bewegung von Jena. Wir möchten Sie auffordern, die Anfechtung des Arbeitsvertrags des Klima-Aktivisten bzw. der Klima-Aktivistin Eli (Name geändert) vom Dezember 2023 zu überdenken und Eli wiedereinzustellen.

Eli hat am 1. Dezember 2023 eine Stelle als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in angetreten. Kurz darauf hat das Personaldezernat Elis Arbeitsvertrag angefochten und Eli als Mitarbeiter:in von der Universität entfernt. Der Grund sei, dass Eli Vorstrafen hätte anzeigen müssen, von der die Universität ohnehin durch das von Eli eingereichte Führungszeugnis Kenntnis erlangt hat. Später hat die Personaldezernentin erklärt, dass Vorstrafen wegen Widerstands erkennen lassen, dass Eli die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zumindest infrage stelle und deswegen nicht an einer staatlichen Einrichtung beschäftigt werden dürfe.

Wir halten diesen Vorgang aus mehreren Gründen für sehr bedenklich:

Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wird man von Gerichten bereits für sehr niedrigschwellige Formen des zivilen Ungehorsams verurteilt. So wurden zuletzt Aktivist:innen der Letzten Generation für vollkommen friedliche Sitzblockaden wegen „gewaltsamen Widerstands“ verurteilt. Es reicht aus, sich von der Polizei von einer Blockade wegtragen zu lassen oder den Arm schützend vor den Kopf zu halten, um nicht direkt von einem Polizeiknüppel getroffen zu werden, um des Widerstands beschuldigt und verurteilt zu werden. Eine Vorstrafe wegen Widerstands lässt also nicht auf die Gewaltbereitschaft, den Charakter oder die Einstellung zur Verfassung schließen. Zu beachten ist hierbei auch, dass der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB einen milderen Tatbestand darstellt als der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte nach § 114 StGB.

Unserer Ansicht nach ist es unstrittig, dass der zivile Ungehorsam für eine lebendige Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt unerlässlich ist – denken wir nur an die Bürgerrechtsbewegung für die Rechte der Schwarzen in den USA, die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland oder das Engagement gegen Rechts in Jena –, auch wenn Aktionen des zivilen Ungehorsams staatlich geahndet werden.

Sehr viele Menschen engagieren sich in der Klima-Bewegung und anderen sozialen Bewegungen. Für dieses Engagement geraten sie oft in Konflikt mit der Polizei und können, wie eben beschrieben, bereits für friedliche Aktionsformen oder sogar unschuldig verurteilt werden. Eli ist ein Präzedenzfall. Wenn Sie an der Entscheidung, Eli als Mitarbeiter:in von der Universität zu entfernen, festhalten, signalisieren Sie, dass sie bereit sind, sehr vielen Aktivist:innen die Tätigkeit an der Universität Jena und im öffentlichen Dienst allgemein zu verweigern oder Kolleg:innen zu entlassen bzw. ihre Verträge zu annullieren.

Die Universität Jena bekennt sich zur Nachhaltigkeit und den Nachhaltigkeitsprinzipien. Sie hat dazu Einrichtungen, Strategien und Maßnahmen beschlossen. Das Vorgehen gegen einen klimapolitisch engagierten Kollegen bzw. Kollegin macht die Universität unglaubwürdig. Sie sollten das Engagement der Studierenden und Beschäftigten für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen ermutigen und sie nicht davon abhalten, indem Sie sie einschüchtern.

Dieser Vorgang findet vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen statt. Der rechtsextreme Thüringer Landesverband der AfD wird voraussichtlich die stärkste Partei werden und damit mehr Einfluss in der Landespolitik erhalten. Es ist bekannt, dass die AfD engagierte Personen und auch Kolleg:innen denunziert und aus den Ämtern entfernen lassen möchte, denken wir nur an die von der AfD initiierten Denunziationsplattformen gegen Lehrkräfte. Sie schaffen mit der Entfernung Elis ein Exempel, das die AfD zur Säuberung des öffentlichen Dienstes aufgreifen und ausweiten könnte.

Nach § 24 Beamtenstatusgesetz werden Beamte erst nach einer Freiheitsstrafe von min­destens 6 Monaten bzw. 12 Monaten aus dem Dienst entfernt. Da selbst bei der Summierung der Vorstrafen diese exemplarischen Werte nicht erreicht würden, Eli nur zu Geldstrafen verurteilt wurde, Eli keine hoheitlichen Tätigkeiten wahrnimmt, nicht dauerhaft an unserer Universität beschäftigt werden soll und Doppelbestrafungen in unserem Rechtssystem nicht vorgesehen sind, halten wir die Anfechtung des Arbeitsvertrags auch aus rechtlichen Gesichtspunkten für unverhältnismäßig.

Wir möchten die Aufforderung vom Beginn unseres offenen Briefes wiederholen. Über­denken Sie Ihre Entscheidung und stellen Sie Eli wieder ein. Wir hoffen, Sie betrachten ein Umdenken nicht als Schwäche. Vielmehr wäre es Ausdruck eines lebhaften demokratischen Austauschs und einer tatsächlich gelebten Fehlerkultur an der Universität Jena.

Unterzeichner:innen:

ver.di-Betriebsgruppe an der Universität Jena

GEW-Betriebsverband an der Universität Jena

FAU-Betriebsgruppe an der Universtität Jena

Bündnis „FSU Unterfinanziert“

TV Stud Thüringen

Kampagne „Wir fahren zusammen“ Jena

Ende Gelände Jena

Tierbefreier*innen e.V. Ortsgruppe Jena

Fridays for Future Weimar

Prof. Manuel Vogel

[ssba]

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